7. August 2013 | Von Tobias G. | Kategorie: Reviews
Es scheint wie bittere Ironie, eine Rezension zu einer EP mit dem Titel „Astralwinter“ zu schreiben, während mir bei über 30 Grad im Schatten das Gesicht vom Kopf schmilzt. Eine eisige Winterlandschaft unter strahlend blauem Himmel ziert das Cover, in der Realität könnte ich ein Spiegelei auf meinem Laptop braten. Der gute Mann hinter Sieghetnar hat sich wohl in der Jahreszeit geirrt, oder aber er sehnt sich wie geschätzt jeder nach ein wenig Abkühlung. Immerhin lässt das Ganze wenig Interpretationsspielraum dafür was einen hier musikalisch erwartet – bleibt nur die Frage, ob solche Töne bei annähernd tropischen Temperaturen auch die gewünschte Wirkung beim Hörer erzeugen können?
Das Sammlerherz schlägt bei der Aufmachung des liebevoll gestalteten A5-Digis mit Handnummerierung (99 Stück) zumindest schon einmal höher. Den beiliegenden Patch mag man da schon fast nicht an seine Jacke tackern. Das Herzblut in der Veröffentlichung steckt scheint offensichtlich, aber wie steht es mit der Musik? Schließlich neigt die Black Metal „Szene“ von Zeit zu Zeit dazu jeden Unsinn über den grünen Klee zu loben, solange die Hülle sich gut in der Vitrine macht.
Wer das Schaffen von Thorkraft bereits länger verfolgt, den kann ich an dieser Stelle schon einmal vollkommen beruhigen. „Astralwinter“ bietet nichts wirklich Neues, sondern setzt auf das was Sieghetnar ausmacht – so ist schon der knapp 10 minütige „Einklang“ ein reines Ambient Stück mit klirrend kalter Atmosphäre, das den ein oder anderen sicher noch stark an das vierte Album „Kältetod“ erinnern dürfte. Eine eisige Klanglandschaft leitet dabei wabernd das titelgebende Stück ein, wobei die einfache Bezeichnung als Einklang oder Intro dem Ganzen absolut nicht gerecht wird – immerhin veröffentlichen gewisse „Szenegrößen“ regelmäßig wesentlich schlechteren Ambient als komplettes Album. Hier wird ein malerischer Übergang geschaffen in den man versinken soll. Die Stücke vermischen und wirken wie aus einem Guss, so dass es beinahe wie ein Weckruf wirkt als man urplötzlich von sägend monotonen Gitarren-Riffs und einem schleppenden Drumming aus den schneebedeckten Wäldern gerissen wird, die sich vor dem inneren Auge auftun. Der Wirkung tut das Ganze aber natürlich keinerlei Abbruch – wie gewohnt wird vollkommen auf Gesang verzichtet, so dass der Winterspaziergang (in einem halben Jahr?) auf keinen Fall gestört wird. Dies sei angesichts der nahenden Re-Releases mit nachträglich eingefügten Vocals noch einmal besonders hervorgehoben.
Ausgeklingen lässt der Hamburger die EP dann mit einem ähnlich ruhigen und verträumten Klangteppich wie man ihn schon vor dem Titelstück hören durfte. Für wen Sieghetnar nun völliges Neuland ist, sei ein vorsichtiger Vergleich mit dem Paradebeispiel für Winter-Ambient – Vinterriket – angestellt. Freilich ist es schwierig für mich, mich vollkommen auf diese Musik einzulassen, während ich beim Schreiben literweise Schweiß auf meinem Stuhl verteile. Dennoch stellt Astralwinter ein ordentliches Stück Ambient Black Metal dar, dass vielleicht nicht ganz mit Kollegen wie Paysage d’hiver mithalten kann, aber dennoch weiß eine ganz eigene Atmosphäre zu schaffen. Jetzt darf es von mir aus auch ruhig noch schneien.
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Label: Kristallblut Records
Format: CD
Veröffentlichungstermin: 01.07.2013
Trackliste:
- Einklang
- Astralwinter
- Ausklang
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