15. Oktober 2012 | Von Tobias G. | Kategorie: Reviews
Es ist Herbst, das Wetter ist beschissen und die Nürnberger Band Freitod geht trotzdem ohne Schirm raus um ihr zweites Album „Regenjahre“ via Ván Records unter die Leute zu bringen. Wer jetzt bei dem Namen schon abgeschaltet hat oder gar wie ich die Gruppe von frühen Demoaufnahmen mit 08/15 DSBM assoziiert, sollte sich dann doch einige Minuten Zeit nehmen dem neuen Streich der lebensmüden Franken eine Chance zu geben. Denn trotz aller Lethargie die „ach so depressiven“ Persönlichkeiten oft attestiert wird, scheint es das Duo geschafft zu haben sich vom Einheitsbrei abzugrenzen und sich eine eigene Sparte irgendwo zwischen melodischem Black Metal und todtrauriger Rockmusik zu schaffen.
Zumindest ich musste mich zunächst einmal überwinden mir das Ganze überhaupt einmal anzuhören. War mir doch ihr Demo „…einst tiefe Wunden…“ als spektakulär unspektakulär in Erinnerung. Da man in der endlosen Welt der schwarzmetallenden Internetforen jedoch immer wieder auf den Namen der beiden Nürnberger stieß, wohlgemerkt mit dem Zusatz sie hätten eine unglaubliche Wandlung durchgemacht, habe ich die Möglichkeit zu einer Rezension dann letztlich doch ergriffen. Zwar lässt mich das einleitende Sample von einem deprimiert wirkenden Kerl der aus irgendeinem Grund nach draußen ins Mistwetter gehen will, nicht wirklich daran glauben dass mich im Anschluss etwas anderes als räudigsten Kellersound erwartet, aber man lässt sich ja gerne eines Besseren belehren.
Denn so Klischeemäßig der Einstieg auch gewählt wurde, so überraschend geht es weiter. Die Musik der beiden erweist sich nämlich direkt als unerwartet eingängig und abseits von dem was 90% aller unnötigen Gruppen spielen die sich den Stempel „Depressive/ Suicidal Black Metal“ auf die Stirn gedrückt haben. Griffige Riffs, ordentliche Produktion und Songlängen die die sechs Minuten Marke stets nur gering überschreiten, machen es direkt leicht einen Einstieg in das zweite Vollalbum Freitods zu finden. Dass dabei oft auch noch auf ein beinahe poppig anmutendes Strophe-Refrain Schema zurückgegriffen wird, macht Stücke wie den Opener und Titellied „Regenjahre“ direkt zu kleinen Ohrwürmern die sich festzusetzen wissen. Wobei auch hier sicherlich das größte Manko für denjenigen zu finden ist, der mit sturen Black Metal scheuklappen ein Album eingelegt hat auf dem er depressiven Schwarzmetall vermutet hat. G. Eisenlauer der sich dem Platz am Mikro mit seinem Kollegen R. Seyferth teilt, holt (leider?) sehr, sehr oft einen verletzlich klingenden Klargesang raus, der dem ein oder anderen sicher sauer aufstoßen wird. Macht doch gerade dieser Gesang einen Großteil des Albums gleich um längen kitschiger (z.B. „Der Trauersturm“) oder treibt einen, weil man die Texte nun versteht, etwas in die Fremdscham. Schnulzige Texte wie der zum Song „Sterbenswert“, welcher mir wegen dem netten Wortspiel direkt positiv aufgefallen war, ziehen die Band leider etwas in die Lächerlichkeit. Wobei der Gesang gerade hier sogar beinahe etwas von neueren Katatonia hat und man dann wohl großzügig darüber hinweg sehen muss. Sein Mitstreiter hingegen ist für einen Dark Metal typischen Krächzgesang zuständig, der oft im direkten Wechsel eingesetzt wird, dabei aber nie wirklich agressiv kreischend wird – den Black Metal haben Freitod offensichtlich komplett hinter sich gelassen um überwiegend im gemäßigten Midtempo vorzugehen.
Dadurch fehlt dem Album trotz einer gelungenen Depri-Atmosphäre als ganzem leider schon ein wenig die Spannung über die volle Länge hinweg zu überzeugen. Sich darüber aufzuregen wäre allerdings schon Meckern auf hohem Niveau, wenn man eigentlich Musik erwartet hatte die einem gar nicht erst zum Aufhorchen animieren würde. Und letztendlich bin ich in meiner Meinung dass über ein Qualitätslabel wie Ván gar nichts wirklich schlechtes erscheinen kann, auch nicht erschüttert worden. Freitod legen ein gelungenes Dark Metal Album vor, das die musikalische Entwicklung einer Gruppe wirklich eindrucksvoll demonstriert und Anhängern von Bands wie Weidenbaum, Fjoergyn oder Dornenreich sicher gefallen wird. Und vielleicht entscheidet man sich bis zur nächsten Veröffentlichung ja auch den Kitschfaktor mit dem übertriebenen Gebrauch von klaren Gesangsstellen und unnötigen Samples zurückzuschrauben um dann auch Leute wie mich vollends zu überzeugen.
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Label: Ván Records
Bandpage: http://www.facebook.com/pages/Freitod/179797205400707
Format: Digi-CD, 12″ LP
Veröffentlichungstermin: September 2012
Trackliste:
1. Regenjahre
2. Der Trauersturm
3. Neue Wege
4. Letztes Wort
5. Sterbenswert
6. Nichtssagend
7. Wenn alles zerbricht
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