28. August 2013 | Von Tobias G. | Kategorie: Reviews
Es ist Zeit für Grabgewalt!
Beinahe scheint es mir als sei sie in Vergessenheit geraten, die Band der wohl ein ewiger Vergleich mit Nocte Obducta anhaftet und die dennoch den Begriff „Avantgarde Black Metal“ in Deutschland maßgeblich mitgeprägt hat. Nach ihrem dritten Album „Schwarz gegen Weiß“ war es still geworden um die Bergisch-Gladbacher. Auflösungsgerüchte kamen auf und irgendwie schien es so, als würde „Pro-Depressiva“ nie wirklich erscheinen oder das „Duke Nukem Forever“ der Black Metal Welt werden. Nun ist es plötzlich da, das langerwartete Album, das außerdem das entgültige Ende der Band unter dem Banner des charismatisch grauenvollen Namen „Grabnebelfürsten“ darstellt.
Zunächst fällt der Stilbruch auf, den das Quintett bei der Gestaltung ihres letzten Silberlings vollzogen hat. Beinahe erwartet man Niklas Quakfrosch am Gesang serviert zu bekommen, so sehr erinnern Titel und Artwork an Shining und Konsorten. Musikalisch aber ist nach dem ruhig einleitenden Intro „Morgengrauen“ alles beim „Alten“ (sofern man sowas über eine Band sagen kann, die sich auf jedem Album deutlich weiterentwickelt hat). Auch wenn ich mit Animo Aeger im letzten Jahr ein Duo kennenlernen durfte, das den Stil der Jungs aus NRW bemerkenswert gut kopieren konnte, zeigt sich hier schnell, dass die Fürsten doch die einzig wahre „Grabgewalt“ darstellen, die ihren vollkommen eigenen Stil kreiert und gefunden haben. Schon „Mantelmann“ überzeugt mit dem gewohnt hektischen und wirren Songwriting mit dem die Band die Fans vor nunmehr acht Jahren zurückgelassen hat. Schnelle, schräge Gitarrenriffs gehen Hand in Hand mit der markanten Stimme von Dirk „Sturm deiner Winter“ Rehfus, der bei seiner angestammten Truppe einfach eine wesentlich bessere Figur macht als zuletzt mit seiner Avantgarde-BM „Supergroup“ Kamera Obskur. Psychotische Schreie, obskurer Klargesang und erstmalig seit „Dynastie“ auch wieder ordentliche Growls. All das was in genanntem Nebenprojekt nicht zum Zug kommen konnte oder durfte – hier wieder in seiner vollen Stärke und Stimmgewalt.
Aber das Album ist mehr als ein kurzes „Hey, wir leben noch…“ zwischen Double-Bass Attacken und immer noch überraschenden Rythmusbrüchen. Irgendwo ist es auch ein Ende und ein nostalgischer Rückblick auf das, was die Fünf in 15 Jahren Bandgeschichte geschaffen haben. Besonders deutlich wird dies beim „Fazit einer Ehe“, dessen Beginn alte Fans direkt dazu animieren wird die vorangegangen Alben wieder herauszukramen. Bekommt man hier anfänglich doch sehr bekannte Töne auf die Ohren, drängt sich schnell der Verdacht auf, dass dieser Song auch ein Fazit ihres bisherigen Schaffens darstellt. Wohingegen der Titel „Die Rückkehr“ vielleicht als Schritt verstanden werden kann, sich zusammenzuraufen und Ambitionen einer endgültigen Auflösung über den Haufen zu werfen um unter neuen Namen gestärkt als Band hervorzugehen. „3001“, wird es bereits im vorangegangenen Titel angedeutet, führt den Weg der Fürsten weiter. Worin die Umbenennung also auch begründet liegen mag – ihrem Faible für merkwürdige Bandnamen bleiben sie treu. An Ideen scheint es den Jungs angesichts der immer wieder überraschend auftauchenden Stilelemente wie Orgeltönen oder urplötzlich auftretenden 70er Rock-Ausflügen nicht zu mangeln.
Ich denke man entnimmt dem bisherigen Review sehr gut, dass ich großer Anhänger der Gruppe bin. Um so mehr ärgert mich natürlich eine Auflösung und vor allem nicht ausschließlich in Lobhudeleien verfallen zu können. Dennoch kann ich nicht ganz verhehlen, dass die kurze Spielzeit von knapp 40 Minuten inklusive Intro sowie die vielen bekannten Momente mir anfänglich ein wenig den Wind aus den Segeln genommen haben. Um so wichtiger ist es wohl zu verstehen, dass hier ein Entwicklungsprozess stattgefunden hat, auf den man zurückblickt und dem man auch mehrere Hördurchläufe zurechnen muss. Für den eingefleischten Fan gibt es auf dem ersten Blick vielleicht wenig „Neues“ auszumachen und dennoch ist großartig zu hören wie die Band als Ganzes gewachsen ist und das man die Hoffnung dank 3001 nicht total begraben muss. Nach dem abschließenden Klavierstück „Einsicht vs. Erkenntnis“ und Nietzsches ebenfalls schon auf der „Dynastie…“ verwendeten Abschlussworten
„Wir Lebenden und Leuchtenden, wie steht es mit dieser unserer Leuchtkraft, verglichen mit der früherer Geschlechter? Ist es mehr als jenes aschgraue Licht, welches der Mond von der erleuchteten Erde erhält?“
bleibt bei mir nur der Wunsch offen, sie unter altem Namen einmal live bestaunen zu dürfen. Ein solider Grundstein für weitere Meisterwerke im „Schwarz gegen Weiß“ Stil wären mit diesem Album jedenfalls gelegt.
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Label: Ketzer Records
Format: CD
Veröffentlichungstermin: 18.08.2013
Trackliste:
- Morgengrauen
- Mantelmann
- Pro-Depressiva
- Fazit einer Ehe
- Die Rückkehr
- Einsicht vs. Erkenntnis
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