15. März 2013 | Von Vessel STN | Kategorie: Reviews
Wie aus dem Nichts tauchen Voices auf. Nach der Auflösung der english Gentlemen Akercocke im vergangenen Jahr, hat Schlagwerker David Gray offenbar still und heimlich eine neue Mannschaft, die mitunter aus Ex-Mitgliedern seiner alten Band besteht, um sich geschart, um dem Deibel erneut aus dem Unterholz hervorzuprügeln. Die Band präsentiert sich auf den Fotos, wie schon zuvor Akercocke, in recht ordentlicher und intellektuell-konventioneller Manier, halten jedoch nicht so vehement am Anzug-Krawatte-Image fest. Das Voices-Erstlingswerk der alten Haudegen trägt den einleuchtenden Titel „From The Human Forest Create A Fuge Of Imaginary Rain“. Was darf der ambitionierte Hörer nun von den Engländern erwarten? Play-Taste ist gedrückt und los geht’s.
Nicht nur aufgrund des Titels vom Opener „Dnepropetrovsk“ (= eines der Industriezentren der Ukraine) stieg bei mir während dem erstmaligen Hören ein Fragezeichen auf. Was zur Hölle sollte das denn sein? Diese Frage sollte mir nicht das einzige Mal durch den Kopf geistern. Ist man ein wenig aufgewärmt mit diesem widerspenstigen Extrem-Metal-Anschlag, so kann man mit Fug und Recht behaupten, hier nicht nur einen dreckigen, sondern einen verdammt abartigen Bastard aus Progressive, Black-, und Death Metal vorliegen zu haben. Es werden durchaus Erinnerungen an die ehemaligen Akercocke wach, jedoch verzichtet man fast gänzlich auf ruhige, progressive Einschübe. Hier regiert die Keule. Das, was die feinen Herren hier abliefern, lässt sich für mich persönlich nur schwer in Worte fassen. Sie selbst betonen auf ihrem Facebook-Profil ihre Nähe zu einer „Aggressive Black Metal Erection“. Was auch immer man sich darunter vorstellen mag, es trifft zu. Das Credo, für Satan zu fachgerecht blasten, wird hier sehr ernst genommen.
Blastbeat-Wälle sind zu genüge vorhanden. Melodien sind rar gesät. Das Riffing der Gitarren fräst sich mit seinen bedrohlichen Dissonanzen rücksichtslos ins Gehirn (Deathspell Omega, Abigor und Voivod lassen grüßen). Ob schwarzer- oder eher todesmetallischer Prägung, macht dabei auch keinen Unterschied mehr. Abstoßend und keineswegs old-school wird hier ein durchaus eigenständiges Süppchen gebraut. Auch technisch macht den Engländern so schnell keiner was vor, sind sie doch allesamt schon längere Zeit im Geschäft. Das schlägt sich vor allem auch deutlich hörbar im variablen und anspruchsvollen Schlagzeugspiel von Gray nieder, dessen Leistung für nicht wenig Drummer zum Niederknien ist. Der laute Bass und die Stimmgewalt, die von Clean-Gesang über markantes Schreien und derbes Brüllen ein breites Spektrum abdeckt, tun ihr Übriges, um die Hörerschaft in den Wahnsinn zu treiben.
Trotz aller Progessivität fallen jedoch durchaus etwas eingängigere Momente auf wie z.B. der Chorus von „Eyes Become Black“ oder die sehr stilvoll eingesetzte Frauenstimme im Song „Creating The Museum Of Rape“. Dabei haben aber alle Songs ihre Höhepunkte, welche sie hörbar von einander unterscheiden. Zu nennen wäre sicherlich auch „Fragmented Illustrations Of Anger“, zu dem ein schön dekadentes Video gedreht worden ist, welches im Anschluss zu sehen ist und das dargebotene Werk angemessen provokant repräsentiert. Zieht man Vergleiche zu Kollegen, so würden sich „Words that go unspoken, deeds that go undone“ der ehemaligen Brötchengeber sowie Abigor’s „Fractal Possession“ durchaus anbieten. Das Album-Schlusslicht bildet „Endless“, ein Song, der tatsächlich etwas aus Reihe fällt, denn hier wird der schier endlosen Black Metal-Monotonie demütig, aber erfolgreich Tribut gezollt. Eine diesbezügliche Anlehnung an die Anfangstage der alten Norweger wie Enslaved kann man den Prügelknaben hier sicherlich nicht absprechen. Erinnere ich mich an die letzten Akercocke-Alben, so komme ich nicht darüber hinweg, der durchweg hohen musikalischen Qualität zum Trotz, an den miesen Sound zu denken (man beachte nur den katastrophalen Drumsound auf „Antichrist“). Glücklicherweise trifft dies nicht auf Voices zu. Die Mucke wurde bestens abgemischt, der Klang ist klar und die Produktion pumpt und drückt an allen Ecken und Kanten. So soll das sein.
Dennoch lassen Voices bei ihrem Angriff auf Otto-Normal-Black/Death-Metaller trotz ihrer musikalischen Erfahrung gewisse Makel zurück. Das Album mag die ersten Hördurchläufe wirklich einschlagen, verläuft sich aber mit Zeit ein wenig im andauernden Gedresche, oft aber einfach auch nur im Mittelmaß (siehe „Sexual Isolation“). Etwas mehr Luft zum Atmen wie beispielsweise durch den äußerst gelungenen Einsatz von Frauengesang oder den ergreifenden Refrains hätte dem bitterbösen Cocktail mit Sicherheit gut zu Gesicht gestanden. Das Songwriting für ein ohrenbetäubendes Hochgefühl auf Langzeit ist demnach noch nicht wirklich vorhanden und lässt Luft nach oben. Allerdings erscheint der Schritt zur ausgereifteren Komposition nicht so weit entfernt zu sein. Man darf also weiterhin gespannt sein und sollte unter keinen Umständen diese Band aus den Augen verlieren. Für Normal-Blackies und Deather nicht zu empfehlen, während Extrem-Progger oder Anhänger des „modernen“ Black Metals der letzten 10 Jahre dem Extrem-Metal-Konglomerat sicherlich etwas abgewinnen können.
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Homepage: Voices – Official Facebook
Label: Candlelight Records
Trackliste:
1. Dnepropetrovsk
2. Eyes Become Black
3. Fragmented Illustrations Of Anger
4. Unawareness Of Human Emotion
5. Sexual Isolation
6. This Too Shall Pass
7. Everything You Believe In Is Wrong
8. Creating The Museum Of Rape
9. Endless
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