3. Dezember 2012 | Von Vessel STN | Kategorie: Reviews
Norwegen. Black Metal. Satan, Wald und Wiese? Von wegen! Nidingr entspringen zwar dem Land der Fjorde, machen aber alles andere als naturromantische Satansmucke. Zudem haben sie auch erfahrene Musiker in ihren Reihen, die seit Jahren in der nordischen Szene umeinander geistern. So etwa der DHG-Gitarrist Blargh (welch ausschlaggebendes Pseudonym!), der hier u.a. auch die Seiten schrubbt, und Teloch, seines Zeichens jahrelanger Gitarrist bei Mayhem, Gorgoroth, 1349 sowie diversen anderen Bands wie NunFuckRitual, The Konsortium und selbstverständlich Nidingr. Die Liste ist enorm und könnte bei Bedarf jederzeit noch verlängert werden.
Wo das düster-brutale Debüt „Sorrow Infinite And Darkness“ 2005 noch große Wellen geschlagen hat, sind diese mit dem lahmen Zweitwerk „Wolf-Father“ im Wesentlichen verklungen. Dort, wo die Platte überhaupt wahrgenommen worden ist, da wurde mit negativer Kritik nicht gerade gespart. Nun setzen die Norweger mit „Greatest of Deceivers“ nach. Schaffen sie es, an den Status des Erstlingswerks anzuknüpfen oder fristen sie ihr weiteres Dasein im Sumpf der heute modernen und konformen (norwegischen) Black Metal-Gruppen?
Eine Antwort darauf zu finden, ist gar nicht so einfach. Drückt man die „Play“-Taste hagelt es im Titeltrack schon mal Blasts auf den Hörer herab als ob es keinen Morgen mehr gäbe. Disharmonische Riffs, eine gut gelungene, sehr klare, fast schon sterile Produktion und eine ehrfurchtgebietende Instrumentation münden in einen wirklich sehr gelungenen und griffigen, hymnischen Chorus. Die Jungs haben musikalisch echt etwas zu bieten, zumal Schlagzeuger Øyvind Myrvoll (ex-KIN), aufgrund seines Vorgängers Hellhammer, alles andere als ein leichtes Erbe anzutreten hat. Dem kann er aber in Sachen Schnelligkeit und Präzision sichtlich das Wasser reichen, man höre nur seine hervorragende Arbeit in „The Worm Is Crowned“. Die bereits genannten Merkmale des Titelliedes sind stereotypisch für das gesamte Album: vereinzelte Thrash-Riffs, dissonante Gitarrenläufe, die einem „Grand Declaration Of War“, „Supervillain Outcast“ sowie „Written In Waters“ in Erinnerung rufen, leicht progressive Songstrukturen und viel Speed. Hier und da wird der Fuß vom Gaspedal genommen, um einem rockigen Midtempo-Groove zu weichen.
Die Zutaten an sich klingen allesamt gut, aber das Songwriting lässt an einigen Stellen zu wünschen übrig, denn was zu Beginn der Scheibe sehr dynamisch und energiegeladen wirkt, verliert sich schnell in der darauffolgenden Eintönigkeit der restlichen Songs, die vor allem an dem stets einheitlichen Strukturmuster der einzelnen Songs bedingt ist. Das soll jetzt nicht heißen, dass das Album besonders schlecht ist. Nein, denn zwischendurch stechen einige Riffs und Melodien wie Messer im Fleisch hervor, die es wirklich in sich haben (Mittelteil von „Vim Patinor“), jedoch ist dies leider nur vereinzelt der Fall.
Das größte Problem von Nidingr ist aber nicht die kompositorische Geradlinigkeit oder gar die fehlende Innovation, welche ja nicht unbedingt vorausgesetzt werden muss. Es ist der Sänger, der sich stimmlich (bewusst oder unbewusst) insbesondere an dem fanatischen Geschrei von Kvohst (ex-Code, ex-DHG) zu orientieren scheint, seiner stimmlichen Vielfalt aber keineswegs das Wasser reichen kann. Leidenschafts- und kraftlos brüllt Cpt. Estrella Grasa sich durch die Songs, ohne etwas Abwechslung in die wilde Jagd einzubringen. Das ist einerseits schade, weil man ständig das Gefühl hat, dass der gute Mann eigentlich mehr drauf hätte, denn die Ansätze wären durchaus vorhanden (Ende von“ The Worm Is Crowned“, Arcturus-Garm lässt grüßen), und andererseits, weil er keinerlei Wiedererkennungswert besitzt und die proggig- Klänge viel monotoner erscheinen lassen als sie per se sind.
Insgesamt fällt das Resultat demnach eher nüchtern, jedoch keinesfalls schlecht, aus. Die Musik ballert, groovt und thrasht genüsslich vor sich hin, Überraschungen gibt es keine und ab und zu stechen einige Passagen aus dem Geholze hervor, die den Hörgenuss merklich versüßen. Auch musikalisch macht man der Mannschaft aus dem Norden so leicht nichts vor. Der oft emotionslose und monotone Gesang an sich ist das größte Manko der Platte, welches leider kaum zu ignorieren ist. Dennoch lohnt es sich zweifelsohne für Genre-Liebhaber, die neue Nidingr-Scheibe anzutesten. Für mich stellt „Greatest Of Deceivers“ lediglich eine „ganz nette“ Kost für Zwischendurch dar und deswegen vergebe ich stattliche 6 Punkte.
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Label: Indie Recordings
Bandpage: http://www.nidingr.no/
Format: CD
Veröffentlichungstermin: 20. November 2012
Trackliste:
1. Greatest Of Deceivers
2. All Crowns Fall
3. O Thou Empty God
4. The Balances
5. Vim Patior
6. Rags Upon A Beggar
7. The Worm Is Crowned
8. Pure Pale Gold
9. Mother Of Abominations
10. Dweller In The Abyss
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