17. Januar 2012 | Von Stefan Döring | Kategorie: Reviews
Zwischen Zukunft und Vergangenheit liegt bekanntlich die Gegenwart, welche mir im Moment ins Besondere vom nagelneuen (und schon fast wieder ausverkauften) Tape der Nordrhein Westfalen Seelenfrost versüßt wird. Im abschließenden Teil der Nostalgia-Trilogie wurde unter den zwölf Songs inklusive atmosphärischer Zwischenstücke nicht nur Neues, sondern auch in sauber produziertem Soundgewand neu Aufgelegtes auf Kassette gebannt. Man kann also diesen dritten Abschnitt als Quintessenz der Trilogie sehen und somit den gegenwärtigen Stand einer Band betrachten, welche in Zukunft wohl noch Vieles von sich hören lassen wird.
Zu sehr auf Vergangenes möchte ich dabei nicht einmal eingehen, zu kritisieren gab es wohl immer etwas, was sich meiner Ansicht aber gar nicht so sehr auf die Musik der Band ummünzen ließ, sondern entweder auf den recht räudigen Klang der Aufnahmen oder auf die bisweilen vielleicht manchmal etwas augenzwinkernden Texte bezog. Jedenfalls hat sich die mittlerweile auf ein Quartett gewachsene Band aller Kritik angenommen und vor allem klanglich einen wahren Quantensprung vollzogen. Rauschen und Rumpeln mag zum Unbill gerade der Anhänger dieser Attribute auf „Nostalgia“ überhaupt nicht stattfinden, eher hat man sich bemüht einen klaren und vor allem drückenden Sound zusammenzubasteln, der es in sich hat. Instrumental unterstützt wird Seelenfrost neuerdings am Cello von Nostarion, der schon bei Dämmerfarben ordentliche Arbeit vorzeigen konnte, und gerade das gibt der Musik der Band etliche Aspekte, die man ihr vielleicht gar nicht so zugetraut hätte. Die Entwicklung jedenfalls zwischen „Metamorphosis“ und „Nostalgia“ erscheint riesig.
Was mich bei Seelenfrost jedoch immer am meisten beeindruckt hat, sind die überdurchschnittlich guten Texte, welche abseits sinnloser Satansweihen oder entblödeten Heidenkitsches in passenden Worten gekleidete Verehrung der Dunkelheit oder in impressionistischen Darstellungen von Seelenzuständen tatsächlich höchste Vollendung empfangen. Wenn man allein die simpel als „Worte“ bezeichneten Zwischenstücke betrachtet, welche in ihrer Hörspielartigkeit tatsächlich sogar an bessere Dornenreich erinnern mögen, fühlt man sich tief in die Seelenwelt Wächter Rutans gezogen. Spannend ist vor allem dann auch die Umsetzung der Worte, denn Wächter Rutan lässt diese zwischen Schreien, Flüstern und Flehen in allen möglichen Facetten erstrahlen, Abwechslung ist also geboten.
Seelenfrost – Zwischen Zukunft und Vergangenheit from slnfrst on Vimeo.
Musikalisch legt die Band ebenso ein gehöriges Brett vor, zwischen getragenen, epischen Stücken, welche hervorragend von Akustikgitarre und Cello untermalt werden, gibt es schnell nach vorne knüppelnde Songs, die bei allen gefühlsorientierten Texten auch zum Headbangen anregen können. In Sachen Gitarrenarbeit gibt man sich traditionell, nicht zu kompliziert, aber wirkungsvoll und vor allem recht Melodienreich. Vom Strophe-Refrain-Aufbau hat man sich entfernt und gibt den Stücken eine fast schon erzählerische Dramaturgie, was es zwar nötig macht, der Kassette aufmerksam und dazu mehrfach zu lauschen um alle Facetten des Konzeptes dahinter zu begreifen, doch mit der Zeit erschließen sich auch zuerst nicht völlig zündende Stücke um am Schluss ein großes Ganzes zu ergeben. So schafft es die Scheibe mit der Zeit süchtig zu machen, zumindest kann ich nach zehn Durchgängen sagen, dass ich noch lange nicht genug davon habe. Wie sich die Langzeitwirkung gestalten wird, wird sich noch zeigen.
Ich hoffe jedenfalls, dass sich ein Label dazu bereit erklären wird, das Tape sowohl als LP als auch als CD zu veröffentlichen. Seltsamerweise sind im Moment gerade die Bands, die wahrscheinlich das meiste Potential in Deutschland besitzen, diejenigen, die sich entweder mit mexikanischen Kleinstlabels begnügen müssen, oder in ihrem Status versauern. Ich denke da beispielsweise auch an die Hamburger von Pantheion, die auf einem Monster von Album sitzen und nicht zum Zuge kommen. Ich bin jetzt aber einmal so idealistisch und sage, dass sich Qualität immer irgendwie durchsetzen wird und bin mir ziemlich sicher, dass wir von Seelenfrost nach diesem Glanzstück noch sehr viel zu hören bekommen. Wer Anspieltipps benötigt, sollte sich auf der Bandcamp-Seite von Seelenfrost austoben können, vor allem „Atemzüge“ hat es mir dabei schwer angetan. Selten wurde ein klassisches Instrument so hervorragend in einen nach vorne preschenden Schwarzmetallsong eingebettet!
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Label:
Eigenveröffentlichung, kann für 6€ zuzüglich Versand im Empyre-Shop oder bei der Band selbst bestellt werden.
Erhältlich:
Bandpage:
Veröffentlichungstermin:
8. Januar 2012
Trackliste:
1. Vergangenheit
2. Blinde Träumer
3. Um dich…
4. Gegenwart
5. Wildnis
6. Worte I
7. Ein neuer Sturm
8. Atemzüge
9. Von den Menschen
10. Worte II
11. Bevor ich die Augen schließe…
12. Zukunft
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